Am 5. November 2009 war es
endlich soweit: alle
interessierten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde
waren zur
Auftaktveranstaltung zum Projekt "Schellhorn 2020" ins
Gildehus eingeladen worden.
Grob geschätzt waren wohl etwa 60 Personen diesem Aufruf
gefolgt. Zusätzlich hatten sich noch einige Besucher, dessen
Interesse zur Thematik wohl eher als zweitrangig bezeichnet
werden darf, am Tresen des Gildehus' versammelt.
Zieht man vom Auditorium die Anzahl derjeniger, die mit der
Vorbereitung befasst waren sowie die der
pflichtgemäß
erschienenen Honoratioren ab, dürfte sich die Zahl der
wirklich
Interessierten wohl eher gegen 50 bewegen - somit ca. 3% der
Einwohner.
Ein Wermutstropfen war insbesondere die geringe Präsenz junger
Familien oder
neu Hinzugezogener, denn gerade dieser Personenkreis würde
angeblich von der Entwicklung eines Leitbildes profitieren.
Auch
das Interesse der örtlichen Vereine oder Verbände
loderte wohl
eher auf Sparflamme.
Die erste Auflösungserscheinung setzte nach ca. einer Stunde
ein. Der/die eine oder andere hatte wohl erkannt, dass angesichts
der bisher vorgetragenen Informationen zum Thema "Schellhorn
2020" ein weiteres Verweilen eher dem Konto
"Zeitverschwendung" zuzuordnen wäre; so jedenfalls war
es unisono an der Garderobe zu vernehmen.
Auch für mich war
jetzt Schluss.
Einem Pressebericht vom 7. November 2009 war zu entnehmen, dass sich
letztendlich noch 39 Bürger/-innen in drei Arbeitsgruppen
zusammengefunden haben um das "Schicksal" Schellhorns
in die Hände zu nehmen.
Das Ergebnis ist im Protoll zur Auftaktveranstaltung
nachzulesen.
Was hat uns nun die erste Stunde gebracht?
Nach einer kurzen Begrüßung durch unseren
Bürgermeister und der
Vorstellung der Moderatoren vom Team "Die Raumplaner"
aus Berlin ging es und die Frage: "Was ist ein Leitbild
?"
Dieses soll insbesondere drei Funktionen haben:
1. | Orientierungsfunktion (handlungsleitend) Die Gemeinde identifiziert sich über die LeitBilder, orientiert sich in ihrem Handeln an den LeitBildern und setzt die LeitBilder ein, um ihr Handeln zu legitimieren. |
2. | Identifikationsfunktion
(Motivation, Werte) Grundlage für die LeitBilder sind die erarbeiteten gesamtstädtischen Leitlinien, die wiederum die einzelnen Handlungsfelder abdecken. |
3. | Legitimatonsfunktion
(Handeln nach innen und
außen begründen) Die LeitBilder enthalten die strategischen Entwicklungsziele. Den LeitBildern werden anschließend Schwerpunktbereiche und -themen zugeordnet. |
Hierzu folgte eine Reihe von
Ansichten aus der
Gemeinde, wie sie von ortsfremden Personen wahrgenommen werden
könnte. Natürlich fehlte hierbei nicht die
Schmuddelecke am
ehemaligen Frahmgebäude. Die "Ohhh !" und "Ahhh
!" waren nicht zu überhören.
Ob es am Kurzzeitgedächnis
des einen oder anderen Zuhörers gelegen hat, vermag ich nicht
zu
beurteilen - denn immerhin hatte der CDU-Ortsverband bereits zur
Kommunalwahl 1998 ähnliche Aufnahmen als "Ansichtskarte"
bereitgestellt und auch die anderen Parteien haben in ihren
Wahlprospekten zu den Kommunalwahlen regelmäßig mit
gelungenen
An- und Aussichten unserer Gemeinde geworben.
In diese Präsentation platzte eine Zuhörerin mit einer Aufnahme herein, welche die Aussicht von ihrem Grundstück auf eine mehr oder weniger hübsche - aber emissionsrechtlich vorgeschriebene - Abluftanlage eines angrenzenden Betriebes darstellte. Was diese Aktion mit einem Leitbild zu tun hat, sei dahin gestellt; es macht aber die mögliche Verschmelzung von persönlichem Interesse mit den Zielen eines Leitbildes deutlich. Schließlich befindet sich der Gewerbebetrieb mit dem "hässlichen Schornstein" im planungsrechtlich ausgewiesenen Mischgebiet. Fazit: wer bauen will und lesen kann, ist klar im Vorteil.
Weiter ging es dann mit der Beschreibung des Ist-Zustandes
unserer Gemeinde. Die Einzelheiten sollen hier nicht wiederholt
werde, schließlich sind es keine umwerfenden Erkenntnisse,
dass
Schellhorn ca. 1.600 Einwohner hat, von Seen umgeben ist oder dass im
Ort ein Supermarkt angesiedelt ist.
Gebetsmühlenartig wiederholte die Moderatorin dann im Verlauf
der ersten Präsentation den Hinweis, dass der Inhalt und
Erfolg
des Leitbildes einzig und allein von der Mitarbeit der Einwohner
und von den Ideen, die in den einzelnen Arbeitsgruppen erarbeitet
würden, abhängig sei.
Wie ein solches Ergebnis aussehen könnte, versuchte sie am
Beispiel der Gemeinde Birkenwerder/Landkreis Oberhavel
vorzustellen, welches
ebenfalls von den "Raumplanern" begleitet worden war.
Was hatte die Gemeinde vor der Entwicklung eines Leitbildes geplant?
Die Gemeinde Schellhorn hatte
im Jahre 1994 ein
renomiertes Planungsbüro mit der Erstellung eines
"Städtebaulichen Rahmenplanes" beauftragt, die
Möglichkeiten des gemeindlichen Zuwachs aufzuzeigen. Die
vorrangigen Aspekte der Planung waren:
- Vermeidung von Zersiedlung,
- Berücksichtigung ökologisch hochwertiger
naturräumlicher
Gegebenheiten,
- Stärkung der zentralen Funktion des Ortskerns und
- Bedarfsgerechte Ausweisung von Wohnfolgeeinrichtungen.
Mit diesem Rahmenplan wurde der Gemeinde ins Stammbuch
geschrieben, die ortstypischen Strukturen zu erhalten und die
Stärkung der Wohnfunktion in den Randbereichen und der
zentralen
Versorgungsfunktion im Ortskern zu fördern.
Die Kernaussagen finden sich auch im "Regionalplan für den
Planungsraum III - Schleswig-Holstein Mitte" wieder, der laufend
fortgeschrieben wird, unter Bezugnahme auf diesen Rahmenplan.
Außerdem werden im Regionalplan regionale Leitlinien
zu
den Themen "ökologische, ökonomische und soziale
Dimensionen" sowie Planungen zur regionalen
Siedlungsstruktur und Daten über die
Bevölkerungsentwicklung
oder den Wohnungsneubaubedarf bis 2020 vorgestellt.
In den 90-er Jahren hatten
sich die
Gemeindevertretungen ausführlich mit der künftigen
Bebauungsstruktur befasst. Auf der Grundlage der 7. Änderung
des
Flächennutzungsplanes entstanden zunächst die
B-Pläne 6
(Schlehenkamp), 8 (Hofstelle Heckel) und 9
(Kohkoppelredder/Buchenkamp). Die B-Pläne 6 und 9 wurden
zwischenzeitlich realisiert.
Mit den B-Plänen 10 - 12 versuchte die Gemeinde, ein
überschaubares Ortszentrum zu planen. Nach der Fertigstellung
des Einkaufsmarktes wurden die weiteren Planungen aus
Kostengründen zunächst eingestellt, weil kein Konsens
mit den
betroffenen Grunstückseigentümern herzustellen war.
Auf Umsetzung warten derzeit die B-Pläne 8 und 14
(Tanneck/Wiesengrund Wehrbergallee). Der B-Plan 13 sieht eine
Bebauung im Anschluss an den Schlehenkamp in Richtung Norden bis
zum Antennenträger vor.
Für die nächsten 10 Jahre stehen also
genügend überplante
Flächen zur Verfügung. Jetzt sind die
Grundstückseigentümer
gefragt.
Mit dem Start der
ländlichen Struktur- und
Entwicklungsanalysen (LSE) sollten nun die wirtschaftlichen und
kulturellen Potentiale der Region aus dem Dornröschenschlaf
geweckt werden. Die Staatskanzlei in Kiel kündigte dieses
Entwicklungsinstrument großmundig als "der große
Renner" an. Was ist daraus geworden? Die LSE II hat uns
einen "neuen" Radweg auf bekannten Pisten beschert, der
jetzt noch für eine elitäre Minderheit um ein
Reitwegenetz
ergänzt wird ("Schusteracht"). Bereits im Jahre 2003
waren für dieses Vorhaben rd. 260.000 EUR eingeplant. In der
GV-Sitzung vom 19. März 2008 hatte die Gemeinde weitere 5.000
EUR für das Reitwegenetz bereitgestellt. Allein die Kosten
für
dieses Netz sollten sich jetzt auf rd. 150.000 EUR belaufen.
In welchem Umfang sich dieser Aufwand durch zusätzliche
Touristenströme entlang der "Schusteracht" und den
damit verbundenen Steuermehreinnahmen bisher refinanziert hat,
konnte mir noch niemand erklären.
Von der LSE III ist derzeit nichts mehr zu hören. 100.000 EUR
wollte man für die LSE-Prozessbegleitung (einschl.
Sondergutachter) ausgeben, 50.000 EUR für die Software
(Stichwort “Sensitivitätmodell”) und
25.000 EUR sollte
die Geschäftsführung erhalten. Angeblich soll dieses
Projekt
jetzt in das EU-Förderprogramm "Aktiv Region"
eingebracht werden.
Die einzige Idee, welche das ach so wichtige "vernetzte
Denken" produzierte, war das "Spukschloss"
Bredeneek. Glücklicherweise haben vorausschauende
Gemeindevertreter einiger amtsangehörigen Gemeinden die damit
verbundenen Kostenfallen rechtzeitig erkannt und das Projekt
gestoppt. 30.000 EUR für eine Machbarkeitsstudie waren dennoch
futsch.
Greifbare positive Wirkungen dieser LSE sind bis heute nicht zu
wahrzunehmen.
Im Juni 2009 haben die Bürgermeister aus Preetz, Schellhorn, Wahlstorf und Kühren eine Kooperation für das Gebiet um den Lanker See vereinbart - mit dem Ziel, über die Machbarkeit einer "Tourismusregion Lanker See" zu beraten. Auch dieses Projekt musste wegen Unwirtschaftlichkeit begraben werden. Mehrere tausend EUR für eine Machbarkeitsstudie waren futsch!
Fazit:
In der Vergangenheit hat es
also bereits jede
Menge "Denkfabriken" gegeben. Jetzt will man versuchen,
mit einem Leitbild das Rad neu zu erfinden. Das Ergebis
läßt
sich erahnen:
Wir werden erfahren, dass Schellhorn im Grünen
liegt, ein Ortszentrum benötigt, der Natur- und Umweltschutz
beachtet werden soll, das Angebot moderner Unterkünfte
für
Touristen verbessert werden muss, vielleicht soll auch die
Verbesserung der Einzelhandelsstruktur unterstützt werden
oder:
eine Apotheke muss her! - und nicht zu vergessen: das obligatorische
Seniorenheim! Die Aussage, dass wir uns mit unserer Gemeinde
identifizieren, wird selbstverständlich auch nicht fehlen.
Vielleicht kommt man sogar auf die Idee, bei allen wichtigen
Entscheidungen der Gemeindevertretung ein Mitspracherecht
einzufordern. Das wäre wohl das "Aus" für das
ehrenamtliche Engagement als Gemeindevertreter, denn wer hat
schon Lust, in endlosen Debattierrunden Beschlüsse zu fassen.
Dringender Klärungsbedarf besteht wohl auch für die
Frage:
"Soll Schellhorn kinderfreundlich werden?" Diese hatte
nämlich der Initiator des Leitbildes im "Schaufenster"
aufgeworfen (quo vadis,
Schellhorn?) - was im Umkehrschluss wohl bedeuten muss:
Schellhorn war bisher kinderfeindlich!
Wer konkret mitgestalten
will, sollte daher einer
politischen Partei oder Wählergemeinschaft beitreten oder zu
einem der gewählten
Gemeindevertreter das Gespräch suchen.
Wie Bürger auf politische Entscheidungen dennoch Einfluss
nehmen
können, hat die Arbeitsweise der "Interessengemeinschaft
Wehrbergallee" gezeigt.
Das erarbeitete Leitbild wird
wohl das Schicksal
vieler anderer Leitbilder ereilen:
- man fomuliert mit wohlklingenden Worten, wie man die Welt gerne
hätte,
- vollführt einige rituelle Tänze
- und wartet auf das Eintreten der gewünschten Ereignisse.
Je länger man wartet, desto mehr schlägt die Hoffnung
und
Vorfreude in Enttäuschung um.
Es ist daher anzunehmen, dass auch dieses Leitbild eher geeignet ist, Geld an Planungsbüros zu vermitteln als in konkrete Projekte.
Frage: Wo liegt der Lustgewinn ???